Der Wildtöter

Buchbesprechungen und mehr über Karl May und Sekundärliteratur
Helmut

Re: Der Wildtöter

Beitrag von Helmut » Do 10. Mai 2012, 17:51

In beiden Büchern kommen auch zwei unterschiedliche Schwestern vor, über Judith und Hetty im Wildtöter habe ich ja schon geschrieben. Beim "letzten Mohikaner" sind es die beiden Töchter des Schotten Munro, die auch verschiedene Mütter hatten; und die ältere (Kora) hat da auch noch ein anderes Manko, das Munro folgendermaßen beschreibt:
"..., als mich mein Dienst nach den westindischen Inseln rief. Hiern wollte mein Schicksal, daß ich mit einem Mädchen bekannt ward, die bald mein Weib und Koras Mutter wurde. Sie war die Tochter eines Mannes von Stand auf jenen Inseln, dessen Gattin das Unglück hatte, wenn Sie so wollen, in einem entfernten Grade von jener unglückseligen Menschenklasse abzustammen", sprach der alte Mann stolz, "die zu so schändlicher Sklaverei verurteilt ist, um den Bedürfnissen eine üppigen Volkes zu frönen."
So die "political correctness" vorwegnehmend, erklärt Cooper, die teilweise afroamerikanische Abstammung Koras (eigentlich ihrer Mutter).

Helmut

Helmut

Re: Der Wildtöter

Beitrag von Helmut » Do 10. Mai 2012, 17:37

Mittlerweile bin ich auch mit dem Mohikaner "durch".

Es ist wohl so, dass Cooper ziemlich eindeutig (und vielleicht auch einseitig) bei den Kämpfen zwischen den englischen und französischen Truppen in Amerika Stellung für die englische Seite bezieht, aber die haben ja auch gewonnen. Ziemlich deutlich wird da allerdings, wie dieser (eigentlich europäische) Krieg starke Auswirkungen auf die Indianer hatte. So wurden Stämme regelrecht "auseinandergerissen", wie z.B die Delawaren, von denen Teile auf Seite der Franzosen kämpften, andere Teile auf Seite der Engländer, aber der größte Teil dieses Stammes hat irgendwie versucht sich da rauszuhalten. Aber offensichtlich waren die Irokesen (oder Huronen, ganz klar ist mir immer noch nicht, wie das Verhältnis zwischen diesen ist; Bumppo belegt sie ja der Einfachheit wegen, mit dem Schimpfwort der Mohikaner nämlich "Mingos") eindeutig auf Seiten der Franzosen.

Unkas ist übrigens wohl auch der "Familienname" der Mohikaner (die man übrigens nicht mit den Mohwaks verwechseln darf, die ja wohl eher mit den Irokesen verwndt sind), und jener letzte der Mohikaner trägt ihn noch (wie sein Vater und Großvater vor ihm), da er noch keinen Kriegsnamen hat, die "französischen Indianer" nennen ihn "Le Cerf agile" (flinker Hirsch); der Hauptfeind Magua trägt den franz. "Ehrennamen" "Le Renard subtile" (Schlaufuchs).
"Chingachcook" (die große Schlange) heißt übrigens im Cooperschen Englisch auch nicht "The Great Snake" (oder so ähnlich), wie man vermuten könnte, sondern "Big Serpent".

Helmut

Helmut

Re: Der Wildtöter

Beitrag von Helmut » Mi 2. Mai 2012, 18:54

Im letzten Mohikaner kommt mit dem Psalmensänger David Gamut (letzteres heißt nach dortigen Erläuterungen "Tonleiter") eine Figur vor, die Vorbild für manche Witzfigur bei den May-Filmen (nicht bei den Büchern!) sein könnte, obwohl er eigentlich auch ein durchaus ernst zu nehmender Mann ist.

Man merkt da übrigens deutlich (in der Originalfassung), dass dieses Buch 25 Jahre vor dem "ersten" Band der Reihe geschrieben wurde. So haben "Hawkeye", wie er hier heißt (und auch Chingachcook), bei weitem noch nicht die deutlichen Konturen, wie sein "Vorgänger" "Deer-Slayer".

Helmut

Simpl

Re: Der Wildtöter

Beitrag von Simpl » Mi 2. Mai 2012, 17:22

Helmut hat geschrieben:Wildtöter (also Cooper) gesteht dieses den Indianern als mehr oder weniger Tradition durchaus zu, während er jedoch dies für sich und andere Weiße als gegen die eigene Natur ("weiße Gaben" schreibt er da immer sozusagen religiös gefärbt) streng ablehnt.
In Mays "Old Firehand" ist das anders ... Zwar "wendet" sich der Ich-Erzähler auch dort "mit Grausen", aber [die vermeintliche Witzfigur] Sam Hawkens und Kumpanen läßt er ihre Späßchen treiben mit eroberten Skalpen ... Horror ... seitens Hawkens & Co als Jux betrieben ... da habe ich immer ganz fatale Assoziationen.

Helmut

Re: Der Wildtöter

Beitrag von Helmut » Mi 2. Mai 2012, 16:52

Eine weitere solch "interessante Geschichte" ist das mit dem Skalpieren. Wildtöter (also Cooper) gesteht dieses den Indianern als mehr oder weniger Tradition durchaus zu, während er jedoch dies für sich und andere Weiße als gegen die eigene Natur ("weiße Gaben" schreibt er da immer sozusagen religiös gefärbt) streng ablehnt. Sehr abfällig schreibt er insbesondere über die Prämien die von der englischen Verwaltung für Indianer-Skalpe ausgelobt waren. So war es offenbar für Jäger und Fallensteller (wie Tom Hutter und Hurry Harry) ertragreicher Indianerskalpe statt Tierfelle zu verkaufen. Als die beiden Erwähnten beschließen deshalb das Lager der Huronen zu überfallen, in dem sie nur Frauen und Kinder vermuten, weigert sich Wildtöter folgerichtig dies auch nur im geringsten zu unterstützen. Er hilft dann allerdings später die Beiden zu befreien, sie hatten sich getäuscht als sie das Lager von den Männern verlassen wähnten, und außerdem gerieten sie ausgerechnet an (die gefangen gehaltene) Verlobte von Chingachgook als erstes "Opfer".

Helmut

Helmut

Re: Der Wildtöter

Beitrag von Helmut » Di 1. Mai 2012, 17:37

Simpl hat geschrieben: So eine Frage warum einer wegen Ehrenwort zurückgeht undsoweiter finde ich ja das Interessanteste an einem Roman ... insofern vollstes Verständnis für epische Breite an einer solchen Stelle.
Da hast Du schon recht, aber er (Natty) bespricht das in voller Länge und Breite mit 4 Personen (Judith, Hetty, Chingachcook und Hist) und das mit fast den gleichen Worten, und das ist dann doch ein wenig zu viel des Guten.

Im Nachhinein finde ich, dass man beim Lesen dieses Romans spürt, dass er als Letzter geschrieben und an den Anfang der Gesamtreihe gesetzt wurde.

Helmut

Helmut

Re: Der Wildtöter

Beitrag von Helmut » Mo 30. Apr 2012, 19:35

Die "Wildwesterzählungen" Coopers sind ja irgendwie auch authentisch (im Gegensatz zu denen May'schen); weil Cooper ja dort aufgewachsen ist, und dies Erzählungen über seine Heimat sind. Es ist ja auch vieles der Vergangenheit seiner Familie zumindest nachempfunden. Cooper ist in Coopertown geboren und aufgewachsen, und diese Stadt hat ihren Namen von seinen Vorfahren (Großvater glaube ich); und den hat er dann auch in den Pioneers als Richter Temple verewigt, denn die Stadt dort heißt "Templeton".
Außerdem ist die Handlung 150 bis 100 Jahre früher angesiedelt als z.B. Winnetou.
Allerdings hat er (Cooper) auch ein einfaches Unterscheidungsmerkmal für die guten und die bösen Indianer. Die guten sind die, die mit den Engländern verbündet waren (z.B. die Delawaren), während die bösen mit den Franzosen gekämpft haben (z.B. die Irokesen).

Helmut

Simpl

Re: Der Wildtöter

Beitrag von Simpl » Mo 30. Apr 2012, 17:57

Ach ja, der Satz "Sie haben Lederstrumpf nie wiedergesehen" ganz am Ende des vierten Buches hat mich damals schon schwer beeindruckt, zu so etwas hatte ich schon damals reichlich Affinität. Deshalb weiß ich auch noch nach Jahrzehnten wie er wörtlich hieß und wo genau er stand.

:wcool:

Simpl

Re: Der Wildtöter

Beitrag von Simpl » Mo 30. Apr 2012, 17:20

Iregendwann einmal werde ich mir die Bücher oder zumindest erstmal eins davon auch noch vornehmen; in meiner Kindheit oder auch frühen Jugend hatten wir so eine ca. fünfhundertseitige damals freilig keineswegs so empfundene Kurzfassung aller fünf Teile ... Grün, Illustrationen ... Eine Zeitlang habe ich gedacht den Band müßte ich mir aus rein nostalgischen Gründen noch einmal besorgen, aber als ich ihn dann nach Jehrzehnten tatsächlich wieder sah im Antiquariat, habe ich ihn eingedenk der Bearbeitungs- und Kürzungsproblematik doch liegenlassen ... Wenn ich mir mal einen Cooper zulege dann wahrscheinlich den bei Fischer Klassik erschienenen für 10 €.

So eine Frage warum einer wegen Ehrenwort zurückgeht undsoweiter finde ich ja das Interessanteste an einem Roman ... insofern vollstes Verständnis für epische Breite an einer solchen Stelle.

"schwachsinnig" bedeutet ja - eigentlich - keine Wertung, sondern eine Tatsache bzw. Einschätzung. Insofern ist die Formulierung einwandfrei.

Helmut

Re: Der Wildtöter

Beitrag von Helmut » Mo 30. Apr 2012, 17:06

Ich bin jetzt mit der Lektüre durch, und musste feststellen, dass es in dem Roman manche Stellen mit heutzutage außergewöhnlicher "Langatmigkeit" gibt. Man muss sich da schon richtig darauf einlassen. Eine dieser Stellen ist die, während der Natty allen (wirklich allen) Beteiligten erklärt, warum er sein Ehrenwort, dass er den Mingos gab, halten wird und sich wieder zurück in die Gefangenschaft begeben wird, obwohl er diese nicht überleben wird. Und warum ausgerechnet er mit den "weißen Gaben" dies ausgerechnet den (allgemein verachteten) Rothäuten gegenüber tun muss.
Auch das Ende zieht sich (für "heutige Verhältnisse") ziemlich lange hin; und ich muss gestehen, dass ich manches garnicht mehr so in Erinnerung hatte, wie z.B. den Tod der "schwachsinnigen" (dies ist ein Originalzitat) Hetty Hutter. (Das "Wortspiel" mit dem falsch gehenden Kompass finde ich übrigens sehr hübsch, zur Erklärung : "Die Offiiziere sagten Hetty sei nicht compos mentis (ihrer Sinne mächtig). Hurry versteht kein Latein und denkt an den Kompaß.)

Den "Wildtöter", von der Chronologie her der erste der Lederstrumpferzählungen, hat Cooper übrigens als letzten in der Reihe geschrieben (1841).
Die Reihenfolge der Niederschrift war:
"The Pioneers or the sources of the Susquehanna" (auf deutsch leicht irreführend "Die Ansiedler" benannt) (1823)
"The Last of the Mohicans" (1826)
"The Prairie" (1827)
"The Pathfinder" (1840)

Ich bin jetzt mittlerweile auch schon beim letzten Mohikaner.

Helmut

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