Hallo,
nun habe ich das Buch auch durch. Soweit ich es sehe, sollte man May-bezüglich bereits Vorwissen zum Lesen des Buches mitbringen, da es meiner Meinung nach ansonsten nach den ersten Seiten dazu kommen könnte, daß man als unbedarfter Leser das Buch zur Seite legt - es beginnt meiner Meinung nach recht zäh und wenig ansprechend.
Erst beim Weiterlesen versteht man dann, daß die Vorgeschichten äußerst wichtig sind - aber ob "der Leser" überhaupt noch bis dahin kommt? Gut - natürlich ist die Frage, welche Klientel Loest mit diesem Buch überhaupt bedienen wollte?
Was mir aber dann beim Weiterlesen an mir selbst auffiel war: Ich
mußte mir beim Lesen oftmals ins Gedächtnis zurückrufen, daß es sich um einen
Roman handelt.
Insofern gehört für mich dieser wirklich gut geschriebene Roman zu einer der lesenswertesten Lektüren in meinem Fundus. Nein, man darf dieses Buch nicht als Fakt hernehmen (hier muß dann eben das Vorwissen bereits aus anderen belastbaren Quellen vorhanden sein!) -, denn Loest "
entwirft [...] das spannende Porträt eines widersprüchlichen Lebens" (Zitat Rückseite Einband
Swallow, mein wackerer Mustang, E. Loest, mitteldeutscher Verlag).
Loest gelingt in seinem Buch ein wirklicher Drahtseilakt: Der Akt der Vermengung von Fiktion und (vergangener) Realität, ohne einer der betroffenen, benannten Personen in irgendeiner Art und Weise "an die Karre zu fahren". Das Leben und die zwischenmenschlichen Beziehungen werden mit einer zurückhaltenden Sanftmut - oder soll man schon Anmut sagen? - beschrieben.
Solche Arten von Romanen durfte ich in der Regel stets so kennenlernen, daß sie eine wunderbare, erdachte Geschichte um reale Personen und einige (mehr oder weniger) vorhandene Unterlagen herum, welche kunstvoll eingearbeitet werden, enthalten.
Gleichwohl ist mir in dem Buch regelrecht aufgefallen, daß May insgesamt scheinbar in eine Opferrolle geschrieben wird. Ob dies möglicherweise damit zusammenhängt, daß sowohl Loest als auch May als Gefangene eingefahren sind?
Ferner fiel mir auf, daß May wie ich finde als eine Art "willenlose Marionette" beschrieben wird - dieser May soll, trotz seines Alters, seines Intellekts und seiner Lebenserfahrung offenbar keine Möglichkeit gesehen haben, seiner zweiten Frau entgegenzutreten, besonders wenn es um die Behandlung Mays erster Frau Emma ging? Das ist für mich schwer nachvollziehbar, weil ich mich in dem Zusammenhang an Briefe (KMG-Vortrag in Wolfenbüttel 2011 sowie aus der weiteren Literatur) an Verleger erinnere, in denen Tonarten Mays dokumentiert sind, die es mir in Folge schwer machen, an eine fast fühlbare Hilflosigkeit - wie im Buch beschrieben - zu glauben (lt. Buch soll er geschwiegen haben, den Kopf eingezogen, sich weggedreht, soll weitergegangen sein- kurz: Er konnte sich offenbar nicht durchsetzen).
Leider endet dann das Buch für meinen Geschmack etwas abrupt, gerne hätte ich noch viel mehr gelesen. Wollte der Autor nun unbedingt zu Ende kommen?
Gut finde ich jedoch Loests höchstselbst geschriebene Erinnerung daran, daß es sich um einen Roman handelt, indem er als letzten Satz auf das May zugeschriebene Zitat
"
Sieg, großer Sieg, ich sehe alles rosenrot!"
schreibt (Zitat aus v.g. Buch):
"
Oder hat Klara, nur sie war dabei, gefühlt, daß er es hätte rufen können?"
(Anmerkung: Interessant finde ich zudem, daß Loest hier das Wort
können und nicht
wollen nutzt - es wäre interessant zu erfahren, ob es für diese Wortwahl einen Hintergrund gibt!)
Die Antwort auf diese Frage überläßt der Autor - wie so vieles im Leben Mays - der Phantasie des Lesers...
Fazit für mich:
Ein schönes, bewegendes Buch, und als fesselnde Geschichte und Sekundärliteratur unbedingt zu empfehlen - wenn man es nämlich zuläßt, versinkt man gewissermaßen in der fiktiven Realität eines vergangenen, aber bis heute unvergessenen, interessanten Lebens - des Menschen
Karl May.