Conanchet

Buchbesprechungen und mehr über Karl May und Sekundärliteratur
Helmut

Re: Conanchet

Beitrag von Helmut » Di 2. Okt 2012, 10:33

Und dann habe ich aus dem informativen Nachwort von Arno Schmidt von einer größeren Gemeinsamkeit zwischen May und Cooper gelesen. Auch Cooper musste in seinen "letzten Jahren" längere Zeiten vor diversen Gerichten verbringen.
Er fand nach einem längeren Aufenthalt in Europa, der mehrere Jahre dauerte und ihn i.w. nach Frankreich,Italien und Deutschland führte, die sozialen, kulturellen und auch politischen Zustände in seiner Heimat mehr oder weniger kritikwürdig. Und diese Kritik floss dann in seinen letzten schriftstellerischen Werken sehr stark ein. Und diese (z.T. sehr harsche) Kritik an den Zuständen in den USA veranlasste (mehr oder weinger) einflußreiche Personen (oder solche, die sich dafür hielten) ihn (Cooper) zu verklagen.
Cooper hat im übrigen all diese vielen Prozesse gewonnen.

Helmut

Simpl

Re: Conanchet

Beitrag von Simpl » Mo 1. Okt 2012, 17:55

Helmut hat geschrieben:Letzeres würde sich allerdings auch nicht reimen.
Bis Frau und Kind
den Schwiegereltern ich angedreiht.

:grinw:

Simpl

Re: Conanchet

Beitrag von Simpl » Mo 1. Okt 2012, 17:37

Es geht also zwar weder um einen Tag noch um Schwesternverheiratung, aber die Parallele springt in der Tat ins Auge ... (Vorsichtshalber: Ganz im Ernst.) Marie Silling, die lebt ja noch, hätte gar keine Parallele gesehen, da die ihr wesentlichen Voraussetzungen nicht stimmen ...

:wcool:

("die ihr" ist schon richtig. Die ihr. Nicht ihr die.)

Helmut

Re: Conanchet

Beitrag von Helmut » Mo 1. Okt 2012, 17:30

... und dann geht's auch noch so weiter
bis ich die Schwester dem Gatten gefreit
und nicht
bis ich Frau und Kind bei den Schwiegereltern abgeliefert habe
(Letzeres würde sich allerdings auch nicht reimen.)

:huepf:

Helmut

Simpl

Re: Conanchet

Beitrag von Simpl » Mo 1. Okt 2012, 16:38

Helmut hat geschrieben: Er erbittet sich noch eine Frist von einem Tag (Cooper hat offenbar auch die "Bürgschaft" gekannt)
Damon hat gesagt bzw. Schiller hat geschrieben:Ich flehe dich um drei Tage Zeit
:wneutral:

(Wenn ich jetzt Du wäre würde ich auf so einen erbsenzählerischen Einwand in etwa schreiben "Es ging ja nicht [primär] um die Zahl der Tage, sondern die Übereinstimmung lag in der Sache als solcher. Insofern war der Querverweis durchaus angemessen.")

:smilew:

Helmut

Re: Conanchet

Beitrag von Helmut » Mo 1. Okt 2012, 16:28

Zum (guten) Schluss will ich doch noch einige Gedanken dazu niederschreiben.

Es steht da sehr bemerkens- und bedenkenswertes darin; z.B. über die Eigenart der Engländer die Feindschaft der einzelnen Indianerstämme auszunutzen und sogar noch zu befördern. So wurden z.B. Indianer (insbesondere Häuptlinge) die von den Briten zum Tode verurteilt wurden (was wohl rel. häufig vorkam) zum Teil einfach "befeindeten" Stämmen zur Vollstreckung des Todesurteils übergeben (häufig auch mit dem Zusatz "bitte nur umbringen, und nicht über Gebühr vorher foltern"), um weitere Gründe für eine "Blutfeindschaft" zwischen den Stämmen zu schaffen.
Des weiteren liest man auch in dem Buch, dass es "Weiße" nicht unbedingt schlechter hatten, wenn sie ihr Leben bei den Indianer als Stammesangehörige verbrachten; auch Frauen nicht, wie man am Beispiel der "Beweinten von Wish-Ton-Wish" erfährt.
Conanchet ist ein Beispiel des edlen Wilden, der sich von den Weißen ergreifen lässt, um die Flucht eines Weißen zu decken. Dieser Weiße hat "den großen Häuptling der Weißen getötet", m.a.W. er war einer der "Attentäter" um Cromwell, die den König von England ermordeten. (Im Nachwort von Arno Schmidt wird dann auch geklärt, wer von denen es genau war.)
Conanchet wird dann von den Weißen zum Tode verurteilt und den Mohikaner zur Urteilsvollstreckung übergeben. Er erbittet sich noch eine Frist von einem Tag (Cooper hat offenbar auch die "Bürgschaft" gekannt), um seine Frau und seinen Sohn den weißen Eltern (der Frau) zu übergeben. Danach liefert er sich selbst wieder aus und wird erschlagen.

Helmut

Helmut

Re: Conanchet

Beitrag von Helmut » Do 6. Sep 2012, 10:08

... wobei mir einfiel, dass ich bisher kein Wort über den (wieder großartigen) Inhalt des Buches verloren habe.
Also, es spielt in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (also 200 Jahre vor den Amerika-Erzählungen Mays) und handelt naturgemäß daher noch nicht von "Amerikanern", sondern noch von Einwanderern, in diesem Fall von englischen Puritanern ("Sektierer" steht da auch öfters im Buch, wobei mir nicht klar ist, ob dieser Ausdruck von Cooper stammt, oder vom Übersetzer, dem "bekennenden Atheisten" Schmidt) und deren Problemen und Kämpfen mit den Ureinwohnern, deren schlimmstes Verbrechen in den Augen der Einwanderer ist, dass sie Heiden sind.
Es kommen hier auch wieder zwei Indianerstämme, die ebenso miteinander in Feindschaft stehen, vor. Ja eigentlich sind es auf beiden Seiten wieder Gemeinschaften diverser Stämme.
Und erstaunlicher Weise gehören hier die Mohikaner (deren Häuptlinge stets "Unkas" heißen) zu den Bösen. Der Stamm, dem sich Cooper stärker widmet ("gut" sind die eigentlich auch nicht) sind die Narrangasetts, zu denen auch der Titelheld gehört.
"Wish-Ton-Wish" ist im übrigen ein amerikanischer Vogel (heute meist Whip-por-Whill genannt), nachdem ein Tal benannt ist, in dem die Auswanderer ihre Siedlung gebaut hatten.

Helmut

Hexla

Re: Conanchet

Beitrag von Hexla » Di 4. Sep 2012, 12:55


Ich finde diese Infos sehr spannend und ich kann es mir auch gut vorstellen das es so ist. Wahrscheinlich haben sich bei den Übersetzungen sogar eine Menge Fehler eingeschlichen. Ich denke da jetzt vor allem an das was wir auf der LGS vom Museum Radebeul gelernt haben z. B. an das Wort Squaw. Seit ich das weiß habe ich dieses Wort aus meinem Sprachgebrauch in Bezug auf indianische Frauen gestrichen.

Helmut

Re: Conanchet

Beitrag von Helmut » Di 4. Sep 2012, 12:48

... was ich bei meinem ersten Beitrag vergessen habe, sei jetzt nachgeholt. Ich wollte nämlich noch schreiben, dass die Schmidt'sche Übersetzung ("moose" als "Moosetier") ja doch irgendwie richtig ist, denn "moose" bezeichnet ja den amerikanischen Elch, der zwar mit dem (nord-)europäischen Elch verwandt, aber nicht identisch ist. Er ist nämlich, wie es sich eben für einen Amerikaner gehört, um einiges größer als der europäische Verwandte.
Ob jetzt May im "ersten Elk" einen Elch meinte oder einen Wapitihirsch, das ist mir (leider) unbekannt, und eigentlich bin ich auch zu faul, dies zu recogniszieren.
Ich finde im übrigen die Entwicklung unserer Sprache, und auch fremder Sprachen sehr spannend. So hat mir auch die Lektüre der Coopers gezeigt, wie viele indianische Begriffe von den weißen Amerikanern übernommen wurden und wie viele davon in die englische Sprache. Sehr spannend finde ich auch, dass die meisten (wirklich die weitaus überwiegende Mehrheit) in französischer Übertragung in den schriftlichen Sprachgebrauch übernommen wurden. Das zeigt nämlich deutlich, dass es hauptsächlich die französischen Einwanderer waren die (mehr oder weniger) guten Kontakt zu den Ureinwohnern pflegten, während die Einwanderer aus dem restlichen Europa offensichtlich den Ureinwohnern sehr viel reservierter (und auch feindseliger) gegenüber standen, mit Ausnahme der Spanier und Portugiesen natürlich.

Helmut

Simpl

Re: Conanchet

Beitrag von Simpl » Mo 3. Sep 2012, 19:03

Ob Elk = Elch ist das bleibt sich gleich ... ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dachte es sei entweder das gleiche oder halt etwas ähnliches ... (Die Interessen oder auch Schwerpunkte der Betrachtung sind verschieden ...)

Aber die Geschichte als solche ist interessant.

Der „erste Elk“ ist nämlich gar nicht der erste, das Ganze ist eine Lügengeschichte, entstanden aus Dankbarkeit anderer für eine gute Tat, und Old Wabble hält den Erzähler der Geschichte denn auch am Ende für einen Flunkerer, wobei er nun das Falsche glaubt und die Wahrheit für Flunkerei hält.

In ihrer Doppelbödigkeit und Realitätsverschiebung eine ganz typische Karl-May-Geschichte, zugegebenermaßen erst auf den zweiten oder auch dritten Blick.

In der ebenfalls in "Old Surehand I" eingearbeiteten Geschichte "Im Mistake-Canyon" wird ein unschuldiges Opfer, das sich, schwer verwundet, seiner Haut wehren und rächen will, wiederum zum Opfer, indem es von Dritten, eigentlich Befreundeten, erschossen wird, da sein Widerpart ihm die Kleidung entwendet hat, und nun für ihn gehalten wird.

Es ist eben auf nichts Verlaß, Schein und Täuschung allenthalben. Und damit haben wir es auch bei dieser kleinen Geschichte wieder mit diesem absolut typischen May-Thema zu tun.

"Es fließen ineinander Traum und Wachen, / Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends. / Wir wissen nichts von andern, nichts von uns; / Wir spielen immer, wer es weiß, ist klug."

Dieser Text Arthur Schnitzlers drückt ganz vortrefflich das aus, was Karl May wohl zeitlebens empfand und was man, wenn man etwas tiefer hineinschaut, in seinem Werk immer wieder findet. Und im Leben auch.

(Ist jetzt etwas von Conanchet abgeschweift aber beim Stichwort 'Der erste Elk' konnt' ich nicht widerstehen ...)

:wcool:

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