Blümchenkaffee

Buchbesprechungen und mehr über Karl May und Sekundärliteratur
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Simpl

Re: Blümchenkaffee

Beitrag von Simpl » Fr 26. Okt 2012, 16:38

Interessant, jetzt haben wir gleichzeitig (2 x 16.35 h) gepostet und sind uns auch schon wieder viel einiger / näher ...

:smilew:

("Er will es und will es nicht"; Thomas Mann, Der Tod in Venedig)

Helmut

Re: Blümchenkaffee

Beitrag von Helmut » Fr 26. Okt 2012, 16:35

Worum es mir eigentlich geht ist die sog. "Old Shatterhand"-Legende etwas zu entkräften und differenzierter zu zeigen. Das war nämlich keine lineare und stetige Entwicklung dahin, sondern May wurde da hinein gedrängt und ist da hinein gestolpert. Ja sicher, er hat dies dann auch genossen, aber er hat eben - meiner festen Meinung nach - immer wieder mal versucht dem zu "entkommen"; und eben irgendwann dies ganz so auf die Spitze (auf den Stolte'schen Dachfirst) getrieben, dass es irgendwann auf anderen Seite zwangsläufig wieder abwärts gehen musste.
Ob er sich immer dessen voll bewusst war, was da mit ihm "abging", auch da habe ich so meine Zweifel.

Simpl

Re: Blümchenkaffee

Beitrag von Simpl » Fr 26. Okt 2012, 16:35

Helmut hat geschrieben:Das sind keine schlagenden Gegenargumente
Ich wollte auch nicht schlagen, sondern einfach meine Meinung kundtun ...

An der ändert auch nichts was Du jetzt schreibst, das weiß ich alles ...

Interessant wird's allerdings wenn man über das unbewußt auffliegen wollen nachdenkt ... Da bin ich schon eher dabei und dazu fällt mir gleich wieder "Hitler will besiegt werden" ein, seinerzeit von J.L. Borges empfunden und geäußert.

Helmut

Re: Blümchenkaffee

Beitrag von Helmut » Fr 26. Okt 2012, 15:55

Das sind keine schlagenden Gegenargumente:
- Der Orientzyklus entstand für den Hausschatz und zu einer Zeit, in der noch keiner der Leser etwas mit der Person Karl May anfangen konnte und es gewiss keinen "Kult" um den gab. Außerdem "fliegen" dem Kara Ben Nemsi erst nach einiger Zeit die "Gewehre Old Shatterhands" zu, die er am Anfang noch nicht hat, d.h. bis dahin ist noch nicht einmal die Idendität KBN mit OS gesichert.
Zwischen der Arbeit am Fehsenfeld'schen Orientzyklus und Winnetou I verging auch noch einige Zeit.
Das mit dem "auf das Auffliegen Hinarbeiten" kann man natürlich auch nicht so schwarz-weiß sehen, ob dies bewusst oder unbewusst geschah, wollen wir mal offen lassen. Er selbst hat sich ja später sehr darüber gewundert, was ihm da alles geglaubt wurde. Dabei hätte man ja z.B. nur einfach mal die Zeit nachrechnen müssen, in der all seine Abenteuer geschehen sein sollten und man wäre leicht darauf gekommen, dass das Jahr KBN/OS mindestens 150 Wochen lang sein musste.

Der Aufsatz von Heinz Stolte, an den ich dachte, heißt "der Fiedler auf dem Dach".

Simpl

Re: Blümchenkaffee

Beitrag von Simpl » Fr 26. Okt 2012, 13:05

Ich sehe es anders; bereits im Orientzyklus ist ja klar erkennbar, daß er sich selbst meint ... Warum sollte er das aufgegeben haben. Und im früh für Fehsenfeld geschriebenen Winnetou I heißt er auch Karl und nicht Ernst August ...

Daß er auf das Auffliegen hingearbeitet hätte, erscheint mir abwegig.

Helmut

Re: Blümchenkaffee

Beitrag von Helmut » Fr 26. Okt 2012, 12:50

May wusste sehr gut zwischen seinen diversen Leserkreisen zu unterscheiden, und es war ja erstmals die Hausschatzredaktion (und später die des "Guten Kameraden"), die ihn in die Rolle des Shatterhand/Karas (erstmals gegen seinen Willen) hineinschrieben. Diese Rolle dann auch mitzuspielen, und auch noch mit Freude, das hat länger gedauert. Deshalb bin ich der Meinung, dass es möglich und auch glaubwürdig ist, dass May die Gelegenheit einen neuen Leserkreis in "seriöserer" Umgebung zu beliefern, durchaus dazu benutzt hat um sich von dieser Rolle zu lösen.
Dass dies nicht funktionierte ist ja bekannt, aber es waren ja immerhin "ein paar Jahre" bis zu den Kostümfotos, und auch die waren ja wohl nicht seine eigene Idee.
Das ihm (May) das Spielen dieser Rolle durchaus auch Spass gemacht hat, ist offensichtlich; aber er hat das ja teilweise so sehr übertrieben, dass dies auffallen musste und auch einigen aufgefallen ist (Von Stolte ist glaube ich der Vergleich mit dem "Fiddler on the roof", der auf einem sehr schmalen Grat wandert, bzgl. "Weihnacht"), und es war ihm bewusst - so denke ich - dass irgendwann dieses Spiel "auffliegen" musste, bzw. er hat "darauf (durch die Übertreibung)" hingearbeitet.

Helmut

Simpl

Re: Blümchenkaffee

Beitrag von Simpl » Do 25. Okt 2012, 17:28

Da siehste mal wie das ist ...

:zwinkw:

'Versuch den Autor vom Ich-Helden seiner Roman zu trennen' glaub' ich übrigens nicht ... ein paar Jahre drauf gab's die Kostümfotos ...

Helmut

Re: Blümchenkaffee

Beitrag von Helmut » Do 25. Okt 2012, 17:20

... aber auch schon damals gab's keine Reaktionen darauf ...

:huepf:

Simpl

Re: Blümchenkaffee

Beitrag von Simpl » Do 25. Okt 2012, 16:57

Siehe auch der Thread "Bearbeitungen" hier unter "Literatur" vom 31. Mai 2011

:smilew:

Helmut

Blümchenkaffee

Beitrag von Helmut » Do 25. Okt 2012, 16:39

In "der letzte Ritt" (Deutscher Hausschatz, XI Jahrgang) steht auf den Seite 126 folgendes Zwiegespräch zwischen Kara Ben Nemsi und dem Kadi von Edreneh (Edirne):
"Glaubst Du, daß sie Dich übervortheilen werden?"
"Nein. Ich bin ein Saksonjali (Sachse), und es gibt keinen solchen, der sich jemals von einem Osmalin hat täuschen oder übervortheilen lassen; dessen versicher ich Dich!"
"Ein Saksonjali? Liegt Saksonja in Nemtschistan (Deutschland) oder in Prussistan (Preußen) oder in Ljublijana (Laibach)?"
"Saksonja ist ein Kyralik (Königreich). Du kennst es nicht?"
"Nein."
"So hast Du, als Du die Medresse besuchtest, sehr unwissende Professoren und Lehrer gehabt."
"Vielleicht sind sie niemals dort gewesen!"
"Wo Saksonja liegt, das muß in jedem Kitab öjretmekün (Lehrbuch) zu lesen sein, und man erfährt es also, ohne eine Reise dorthin machen zu müssen. Es liegt am Balkan madenün (Erzgebirge) zwischen dem Derja iladschün (Mittelländisches Meer) und der Doniza buzenün (Eismeer). Man trinkt dort den berühmten Kaffee, der Kahwe tschitschetschykün (Blümchenkaffee) heißt, und dort liegt auch die große Stadt Böjük-Lypsa (Groß-Leipzig), wo Eure Händler ihre Waaren kaufen, die nicht in Stambul zu finden sind, und wo der Sultan el Kebir (Großer Sultan == Napoleon) so gewaltig auf das Haupt geschlagen wurde, daß er sogar vergaß die achte Sure des Korans, welche die Sure der Beute ist, zu beten."
...
"Wenn Dein Vaterland solche Berge hat, so muß es reich, sehr reich sein, und von dem berühmten Kahwe tschitschetschykün habe ich bereits einige Male getrunken. Er ist sehr kostbar und so theuer, daß ihn nur der Großsultan und der Großvezier, höchsten noch der Kapudan=Pascha trinken kann. Ich besuchte zuweilen den Letzeren, und da habe ich einige Tassen gekostet. Dieser Kaffee ist ein Itschki tanrynün (Göttertrank). ..."
Dieses Zwiegespräch findet sich am Ende des "Abenteuers in Edreneh", das heute am Ende von Band 3 ("Von Bagdad nach Stambul") zu finden ist.
Bereits in der ersten Auflage des (Fehsenfeld-)Bandes 3 ist dieses Gespräch verschwunden. Es wurde wahrscheinlich von May selbst gestrichen.
Ich vermute dass dies aus zwei Gründen geschah:
- es war ihm (May) wohl für einen (jetzt seriösen) Buchautor zu albern
- er wollte (zu der Zeit) nicht so deutlich auf die sächsische Herkunft des Autors hinweisen, (vielleicht war dies ein (letzendlich erfolgloser) Versuch den Autor vom Ich-Helden seiner Roman zu trennen.)


Helmut

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